Quantum Echo
Dies ist ein fiktionaler Text. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.
Prolog
Die Stille hier unten war absolut. Kein Windhauch tastete sich an der kalten Haut entlang. Die Dunkelheit unter der verfallenen Stadt war älter als jede Erinnerung. Sie schmeckte nach kaltem Stein, feuchter Erde und dem Rost vergessener Maschinen. Tiefer, in einem längst versiegelten Tunnelsystem, wo das Echo jedes fallenden Tropfens eine kleine Ewigkeit währte, ruhte das Objekt. Es hatte keinen Namen, keine sichtbare Funktion. Seine Oberfläche, glatt und ohne Fehl, schluckte das spärliche Licht einer flackernden Notleuchte und gab nichts zurück.
Eine Gestalt bewegte sich durch das Labyrinth, das älter zu sein schien, als die Zeit - ein Anhauch des Ewigen. Mehr Schemen als Mensch, getrieben von einem Hunger, der nicht nur den Magen betraf, oder vielleicht von einer Ahnung, die wie ein Splitter unter der Haut saß.
Eine Hand tastete sich durch die Dunkelheit. Zitternd und von alten Narben überzogen. Die Finger, knochig und von Schmutz verkrustet, tasteten blindlings voran, streiften über rauen Stein, bis sie auf etwas Unerwartetes trafen: die kühle, unnachgiebige Glätte des Objekts.
Ein Zögern. Ein Atemzug, der in der Kälte zu einer winzigen Wolke gefror. Dann die Berührung. Kein Druck, kein Versuch, etwas zu bewegen. Nur das Auflegen der Handfläche auf die fremde Oberfläche. Ein letzter, blinder Instinkt, der die Gestalt an diesen Ort geführt hatte, an dem nichts Lebendiges mehr zu erwarten war.
Die Finger strichen über kalten, glatten Stein – oder war es Metall? Es gab keine Naht, keinen Knopf, keinen Mechanismus. Nichts geschah.
Kein Licht blitzte auf. Kein Geräusch durchschnitt die Stille. Die Notleuchte flackerte weiter in ihrem unregelmäßigen Rhythmus. Das Objekt blieb stumm, undurchdringlich.
Doch in der Gestalt, tief im Innern, vibrierte etwas. Ein kaum wahrnehmbares Echo, als hätte die Berührung eine Saite angeschlagen, die seit Äonen nicht mehr geklungen hatte. Eine Resonanz, flüchtig wie ein Gedanke, aber stark wie ein Beben, durchfuhr die Seele des Entdeckers. Ein Ton, tief und endgültig, durchzog die Stille für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er sich augenblicklich wieder in der Dunkelheit auflöste.
Und unbemerkt von der Welt darüber, begann im Herzen des Objekts ein Mechanismus zu arbeiten, dessen Logik keiner menschlichen Vernunft folgte. Ein stiller Zähler sprang an. Ein Signal, für das es keine Sensoren gab, feiner als der Hauch eines Atems, pulsierte durch die Grundfesten der Realität.
An diesem Tag begann kein Krieg. Kein Turm fiel. Kein Beben erschütterte den Boden in den verbliebenen Siedlungen.
Es war nur ein Moment. Ein Stromnetz auf einem fernen Kontinent fiel aus – für exakt 187 Sekunden. Techniker zuckten mit den Schultern und notierten eine Anomalie. Satelliten, die stumm ihre Bahnen zogen, korrigierten ihre Position um den Bruchteil eines Bogengrades. Niemand bemerkte die Abweichung. In einem stillgelegten Observatorium, dessen Existenz vergessen war, verrutschte ein Winkelmaß um den Bruchteil eines Grades.
Nur die Hand, die das Objekt berührt hatte, krampfte noch einmal, bevor sie erschlafft zu Boden sank. Die Gestalt atmete aus, ein letzter, kaum hörbarer Seufzer, der im ewigen Schweigen des Schachtes verhallte. Ob es Erleichterung war oder das Ende, blieb ungewiss.
Was auch immer es gewesen war – eine Hoffnung, ein Fehler, eine letzte verzweifelte Geste – es war geschehen. Ein Impuls war gesetzt. Unumkehrbar. Die Veränderung hatte begonnen, unsichtbar und absolut. Und in den stillsten Winkeln einer Welt, die das Erinnern verlernt hatte, begann etwas zu zählen.
Teil 1
Schatten der Erinnerung
Kapitel 1
Sichtlinie
Der Wind griff nach ihm, flach und stetig aus Südost, eine kalte Hand auf Brans Nacken, die ihn erschaudern ließ.
Er trug keinen Staub, aber er zerrte an den trockenen Grasbüscheln, die wie Nervenfasern aus dem rissigen Beton der Anhöhe zuckten.
Es gab eine Zeit vor dem Schweigen. Eine Zeit, in der das Metall sang und die Welt in elektrischem Glanz erstrahlte. Jetzt ist nur noch die Asche geblieben.
Wir gehen auf den Trümmern einer Zivilisation, die vergessen hat, wie man ohne das Blinken der Maschinen atmet. Das Licht ist hier kein Versprechen mehr. Es ist ein Splitter im Auge der Dunkelheit.
Der Geruch darunter: warm, eisenhaltig, der untrügliche Hauch von altem Schmierstoff und etwas anderem – etwas Verkohltem, das böse Erinnerungen weckte.
Jeder Muskel in Brans Körper schrie Protest, als Laktat sie durch die Anstrengung übersäuerte. Loses Geröll knirschte verräterisch bei jedem Schritt, als er sich die letzten Meter auf das Plateau kämpfte. Er stützte sich beim Anstieg auf dem kühlen Griff seines Katanas, dass er immer bei sich führte. In Momenten von Unsicherheit gab es ihm ein Gefühl der Vertrautheit und Verankerung mit der Gegenwart.
Ein Ausrutscher hier oben, und sie wären auf dem Präsentierteller. Aber die Höhe war ein zwingender Preis für den Überblick – für die Chance, das Tal nicht nur zu sehen, sondern zu lesen, bevor es sie verschlang.
Wieder eine falsche Entscheidung, und wie viele Leben hatte er schon auf dem Gewissen? Er schob den Gedanken beiseite.
Bran drehte den Kopf leicht. Der Pfad hinter ihnen? Nur eine Ahnung im Staub, für Fremde unsichtbar. Doch für ihn war er eine Linie in diesem Chaos, ein Beweis. Ordnung, selbst wenn sie nur im eigenen Kopf existierte. Ein Anker gegen den Zerfall.
Oben angekommen erstreckte sich das Tal unter ihren Füßen. Ein erster musternder Blick streifte die öde aber dennoch erhaben wirkende Landschaft. Die Klippe grenzte sich präzise vom Abgrund ab. Sie wirkte stabil genug, um sich genau dort zu platzieren. Er legte sich auf den Bauch, nahm das alte Feldglas als Verlängerung für seine Augen und stützte sich mit seinen schon wundgescheuerten Ellbogen ab.
Der Beton unter ihm, gezeichnet von Jahrzehnten gnadenloser Sonne, in den Spalten drahtiges Gras. Langsamer und ruhiger Atem. Die Luft schmeckte trocken, metallisch, unterlegt von einer kaum wahrnehmbaren elektrischen Spannung. Unten: Stille. Eine unnatürliche, lauernde Stille, die ihm die Nackenhaare aufstellte. Das war nie ein gutes Zeichen.
Die Textfläche folgt nun dem goldenen Schnitt. Das bedeutet, das Verhältnis von Text zu Weißraum ist so gewählt, dass es das Auge auf natürliche Weise leitet.
In einer Welt ohne Maschinen ist die Geometrie die einzige Sprache, die uns geblieben ist. Die feinen Linien der Navigation wirken wie Haarrisse im Stein – zerbrechlich und doch beständig.
187 Sekunden
Ein Stromnetz auf einem fernen Kontinent fiel aus – für exakt 187 Sekunden. Techniker zuckten mit den Schultern und notierten eine Anomalie.
In einem stillgelegten Observatorium, dessen Existenz vergessen war, verrutschte ein Winkelmaß um den Bruchteil eines Grades.